Inter­view: Dr. Ludger Meyer über Brust­ver­grö­ße­rung

14 Fragen an Dr. Ludger Meyer zum Thema Brust­ver­grö­ße­rung (Mamma­aug­men­ta­tion)

Wie viele Brust­ver­grö­ße­run­gen haben sie im Laufe der Jahre insge­samt etwa durch­ge­führt?

Im Laufe meiner Tätig­keit als Plasti­scher Chirurg habe ich über 1500 Brust­ver­grö­ße­run­gen durch­ge­führt.

Wer sind Ihre Patien­tin­nen im Bereich der Brust­ver­grö­ße­rung?

Die meisten Patien­tin­nen, die eine sog. Mamma-Augmen­ta­tion durch­füh­ren lassen möchten, sind einer­seits im Alter von Mitte bis Ende Zwanzig. Ihr Leiden ist meist bedingt durch eine sehr geringe oder auch asymme­tri­sche Brust­an­lage von Geburt an. Anderer­seits sind es Patien­tin­nen im Alter zwischen 35 und 45 Jahren, die oft mit zusätz­li­chen Verän­de­run­gen Ihres Körpers durch Schwan­ger­schaft und Still­zeit konfron­tiert sind. Die Frauen finden vor allem aus dem Raum München und Bayern zu uns oder kommen durch Empfeh­lun­gen aus benach­bar­ten Bundes­län­dern in unsere Beratungs­ge­sprä­che. Grund­sätz­lich sind unsere Patien­tin­nen gebil­dete Normal­ver­die­ner, die wenigs­ten gehören zur vermö­gen­den Bevöl­ke­rungs­schicht.

Was sind die häufigs­ten Gründe hinter dem Wunsch nach einer Brust­ver­grö­ße­rung?

In der Alters­gruppe der jünge­ren Patien­tin­nen finde ich oft den Wunsch vor, „zum ersten Mal in meinem Leben eine ‚richtige’ Brust zu haben“. Dabei geht es den Patien­tin­nen also um die Herstel­lung oder Ausbil­dung eines weibli­chen Identi­fi­ka­ti­ons­merk­mals. Damen nach Abschluss von Schwan­ger­schaft und Still­zei­ten wünschen sich meist die Wieder­her­stel­lung des „Vorher-Zustan­des“ Ihrer Brust.

Stimmt es, dass immer mehr junge Patien­tin­nen eine Brust­ope­ra­tion wünschen?

Nein, uns errei­chen aber immer mehr Anfra­gen der eingangs beschrie­be­nen Gruppe der jungen Mütter. Die Rekon­struk­tion ihrer Weiblich­keit wird von diesen Frauen überhaupt nicht mehr als exotisch oder verwerf­lich empfun­den. Diese Patien­tin­nen stehen mitten im Leben und gehen sehr selbst­be­wusst mit ihrer ästhe­ti­schen Eigen-Wahrneh­mung um. Das war früher anders.

Welche Metho­den zum Brust­auf­bau werden in Ihrer Klinik derzeit angewandt?

Brust­ver­grö­ße­rung mit höchst­wer­ti­gen Silikon-Implan­ta­ten (die sichers­ten und meist erprob­ten am Markt), ober- oder unter­halb der Brust-Musku­la­tur. Oft wenden wir für eine Brust­ver­grö­ße­rung auch eine Kombi­na­tion aus Silikon-Implan­tat und Brust­straf­fung an, wenn dies sinnvoll und von der Patien­tin erwünscht ist. Zuneh­mend verläuft die Brust-Rekon­struk­tio­nen auch mit Eigen­ge­webe, und auch hier ist eine Kombi­na­tion mit Implan­ta­ten möglich. Brust­ver­grö­ße­run­gen mit reinen Eigen­fett-Trans­plan­ta­ten halten wir für nicht prakti­ka­bel, denn das Körper-eigene Gewebe baut sich leider recht schnell wieder ab und ist nur für ziemlich geringe Volumina geeig­net

Für unsere Leserin­nen mit bereits tiefem Vorwis­sen: Welche Schnitt­me­thode bevor­zu­gen Sie dabei persön­lich und warum?

Ich bevor­zuge den Schnitt aus der Unter­brust­falte (Submam­mär­fal­ten-Schnitt). Im Gegen­satz zum Schnitt in der Achsel­höhle (das ehemals regel­haft angewandte, eher ältere Verfah­ren) können hierüber die heute von uns am häufigs­ten verwen­de­ten, natür­lich geform­ten (anato­mi­schen) Implan­tate auf den Milli­me­ter genau an die richtige Position einge­bracht werden, ohne die Gefahr einer Verdre­hung, einer sogenann­ten Dislo­ka­tion. Den Schnitt um die Brust­warze herum wenden wir nur an, wenn ohnehin eine Brust­straf­fung zusam­men mit einer Höher­ver­la­ge­rung der Brust­warze sowie des umgeben­den Pigmen­t­ho­fes erfol­gen soll. Bei ausschließ­li­cher Brust­ver­grö­ße­rung hat dieser Schnitt erheb­li­che Nachteile: es werden viele Hautner­ven durch­trennt, so dass die vollstän­dige Sensi­bi­li­täts-Wieder­her­stel­lung im Brust­war­zen­be­reich nicht garan­tiert werden kann. Zudem liegt der Schnitt im Randbe­reich der Brust­warze offen und ist damit oftmals sicht­bar und indis­kret.

Kommen wir zum Thema „Brust­ver­grö­ße­rung ohne OP“: Haben Sie mit Bekannt­gabe der Gefah­ren die Einsprit­zung von Hyalu­ron­säure sofort einge­stellt?

Im Gegen­teil: wir haben dieses Verfah­ren niemals angewandt! Gerade wegen seiner durch die Herstel­ler­firma nicht darge­leg­ten Anwen­dungs­si­cher­heit. Und gerade wegen seiner nicht nachge­wie­se­nen Unbedenk­lich­keit beim Kontakt mit dem mensch­li­chen Gewebe. Ich persön­lich halte es darüber hinaus für absolut unärzt­lich und auch unethisch, Patien­ten quasi als Versuchs­ka­nin­chen für die Indus­trie herzu­neh­men oder für die Herstel­ler sogenannte „Anwen­dungs­stu­dien“ zu machen, um dann dafür den Menschen, die uns Ärzten ja schließ­lich ihre Sicher­heit anver­trauen, auch noch viel Geld abzuneh­men.

Denken Sie, dass Hyalu­ron­säure für die Brust­ver­grö­ße­rung abseh­bar noch einmal zugelas­sen wird?

Das denke ich nicht, nachdem in ameri­ka­ni­schen Studi­en­ver­öf­fent­li­chun­gen mittler­weile von sogenann­ten „obliga­ten Präkan­ze­ro­sen“ die Rede ist. Das bedeu­tet, dass es nach heuti­gem Kennt­nis­stand mit sehr hoher Wahrschein­lich­keit über die Länge der Zeit durch die von diesem Produkt ausge­lös­ten Reaktio­nen im Gewebe zu bösar­ti­gen Tumoren in der Brust kommen kann.

Welchen Chancen räumen Sie der Eigen­fett­ein­sprit­zung ein, und ab wann kann man sagen, dass sie als langfris­tig sicher gilt?

Die Sicher­heit ist nicht das Problem dieses Verfah­rens. Es ist prinzi­pi­ell sicher, da es sich ja um Körper-eigenes Gewebe handelt. Brust­auf­bau mit eigenem Fettge­webe ist nur im Vergleich zum Nutzen zunächst sehr aufwän­dig, da sich ein hoher Anteil des von A nach B übertra­ge­nen Fettge­we­bes leider in wenigen Tagen wieder abbaut, also gar nicht erst vom Umgebungs­ge­webe angenom­men wird. Und auch das überle­bende, erfolg­reich trans­plan­tierte Material kann sich nach einem bis 1,5 Jahren wieder zurück­bil­den. Das Verfah­ren wird sicher besser mit der Weiter­ent­wick­lung von moder­nen, schonen­den Verfah­ren, um das Fettge­webe an seinem Ursprungs­ort heraus­zu­lö­sen, ohne die Fettzel­len zu beschä­di­gen. Zudem setzen wir auf die Entwick­lung von Stamm­zell-Konzen­tra­tio­nen, mit denen wir zukünf­tig ein Eigen­ge­webe-Wachs­tum in der Brust vielleicht werden ansto­ßen können. Aber dieses Verfah­ren ist noch längst nicht ausge­reift.

Gibt es Pläne, diese abseh­bar bei Ihnen durch­zu­füh­ren?

Wir werden zum Ende 2013 das derzeit sanfteste Verfah­ren zur Gewin­nung von Eigen­fett einset­zen. Fettzel­len, die später in die Brust einge­setzt werden sollen, werden dabei am Ursprungs­ort mit einem Wasser-Sprüh­ne­bel so schonend wie nur irgend möglich entnom­men. Das Ziel ist dabei, nach der Übertra­gung in die Brust eine möglichst hohe Überle­bens-Wahrschein­lich­keit der Fettzel­len sicher­zu­stel­len, damit der Effekt der Vergrö­ße­rung lange hält.

Was muss sich Ihrer Meinung nach im Hinter­grund ändern, damit solche Skandale wie PIP oder Fehlent­wick­lun­gen wie Hyalu­ron­säure-Injek­tio­nen in die Brust nicht mehr aufkom­men?

Zunächst wäre es mir ein riesen­gro­ßes Anlie­gen, dass wir im europäi­schen Rechts­raum Zulas­sungs­kri­te­rien für Medizin­pro­dukte bekom­men, die ähnlich hohen Standards folgen, wie dies die FDA, das US-ameri­ka­ni­sche Bundes­ge­sund­heits­amt schon längst macht. Das ist klare Aufgabe der Politik, die hier die Indus­trie in die Schran­ken weisen muss. Und diesen Selek­ti­ons­pro­zess werden dann nur die besten Herstel­ler überle­ben. Grad recht so! Ein großes Problem liegt aber auch bei den anwen­den­den Ärzten: wenn ich weiß, dass ein Billig-Implan­tat nur ein Siebtel eines hochwer­ti­gen Marken-Implan­ta­tes kostet, muss ich mich doch fragen, was ich da für ein Zeug in meine Patien­ten „einbaue“.

Das Gleiche gilt für die Injek­tion von nicht ausrei­chend auf Sicher­heit getes­te­ten Produk­ten in den Körper: ich würde meines Lebens nicht mehr froh, wenn ich (und darauf sind einige Kolle­gen ja bis vor kurzer Zeit auch noch stolz gewesen), hunderte von Patien­tin­nen mit einer Methode „versorgt“ hätte, von der dann in einigen Jahren x Prozent mit einem mögli­chen Tumor in der Brust zurück kommen, und mich dann fragen: Wie konntest Du — Arzt — so etwas zulas­sen? Das Zeug war doch gar nicht richtig erforscht! Es ist doch gerade im ästhe­ti­schen Bereich meine Verant­wor­tung als Arzt, von den Menschen Schaden fern zu halten, die mich mit ihrem Vertrauen beloh­nen!

Was halten Sie von OPs-To-Go?

Unseriös, unärzt­lich, unmög­lich!

Welche weite­ren bedenk­li­chen Entwick­lun­gen sehen Sie derzeit im Bereich der Brust­ver­grö­ße­rung?

Das wird Sie jetzt vielleicht überra­schen: keine! Es wurde ja immer behaup­tet, dass diese unsäg­li­che, den Ameri­ka­nern unter­stellte Unart, schon junge Mädchen mit den berüch­tig­ten „big boobs“ zu verun­stal­ten, auch in unser Land herüber schwap­pen würde. Und was war? Nichts war damit. Im Gegen­teil: die Nachfra­gen an uns werden eigent­lich ruhiger, entspann­ter, „norma­ler“, weniger aufge­regt und weniger medial gepusht. Gott sei Dank leben wir ja in Europa. Will sagen: ich bin stolz auf meine Patien­ten, die in so gut wie allen Fällen nachdenk­lich, selbst­be­wusst, gut infor­miert und absolut realis­tisch in ihren Erwar­tun­gen sind. Sicher, es wird immer verzwei­felte „Schön­heits­chir­ur­gen“ geben, die fragwür­dige Dinge tun. Und es wird sicher immer auch einen Prozent­satz an Inter­es­sen­tin­nen geben, die extreme Lösun­gen wollen. Aber wie der Fall „Sexy Cora“ aus Hamburg zeigt: das ist doch nicht normal und nicht die Regel. Es gibt ein zugege­ben salop­pes Sprich­wort in meinem Fachge­biet dazu: „Ganz schlimm wird es, wenn zwei Gestörte zusam­men kommen – einer, der’s will, und einer, der’s macht.“ Aber ohne jetzt als Phari­säer missver­stan­den zu werden: solche extre­men Auswüchse zu vermei­den, da bin ich mir meiner selbst und auch aller meiner seriö­sen Kolle­gen sicher.

Gibt es am Horizont bereits eine völlig neue Methode zum Aufbau der Brust, die sie hoffnungs­voll stimmt?

Abgese­hen von der bereits erwähn­ten Stamm­zell-Trans­plan­ta­tion – leider nein. Und das wird noch dauern. Oh, und mit Verweis auf die oben geführte Sicher­heits-Diskus­sion: auch ein noch so heiß erwar­te­tes Verfah­ren muss sich gegen den derzei­tig gülti­gen Gold-Standard ja auch erst einmal bewei­sen.

Vielen Dank für das Gespräch!